Aufmerksamkeitsstrategien des Videoaktivismus im Social Web
Wie können sich kritische und humanitäre Videos im Social Web effektiv gegen die Übermacht von Werbung, Unterhaltung und Propaganda behaupten? Das untersucht ein von der VolkswagenStiftung gefördertes gemeinsames Forschungsprojekt von FU Berlin, Uni Bonn und Filmuni Babelsberg.
Potsdam-Babelsberg, 17. September 2018. Videos im Social Web haben sich zu mächtigen Mitteln der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung entwickelt. Doch lässt sich beobachten, dass zivilgesellschaftliche Anliegen wie etwa Positionen gegen Kriege, für Menschenrechte oder für den Umweltschutz immer schwerer zu vermitteln sind. Zum einen konkurrieren Videos innerhalb der algorithmisch regulierten Aufmerksamkeitsökonomie zunehmend mit der PR von Parteien und kapitalstarken Unternehmen, mit Hetzbotschaften und populistischer Propaganda. Zum anderen wächst aufgrund der schieren Menge zirkulierender Webvideos die Gefahr einer Übersättigung.
Wollen zivilgesellschaftliche Akteur*innen nicht nur Nischenpublika erreichen, sind sie gezwungen, innovative Wege der Gestaltung, Produktion und Distribution von Videos zu entwickeln. So nehmen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) u.a. die Dienste der Werbeindustrie in Anspruch, informelle Bündnisse wie die neuen Hashtag-Aktivismen (#BlackLivesMatter) setzen eher auf Affektkaskaden, während sich Kunst-Aktivist*innen um besonders originelle Videos bemühen. Viele Strategien führen zu Dilemmata zwischen der Ethik politischer Kommunikation und ihrer Effektivität, zwischen deliberativen Idealen und der strategischen Steigerung von Impact. Das Feld des Videoaktivismus kann daher als besonders aufschlussreicher Fall angesehen werden, an dem sich aktuelle Chancen und Risiken politischer Auseinandersetzung im Social Web deutlich zeigen.
Das Forschergruppe aus Dr. Jens Eder, Professor für Dramaturgie und Ästhetik der audiovisuellen Medien an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, Dr. Britta Hartmann, Professorin für Filmwissenschaft und Audiovisuelle Medienkulturen an der Universität Bonn, und Dr. Chris Tedjasukmana, Film- und Medienwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, hat sich bereits umfassend mit der Erfassung politischer Bewegungsbilder im Social Web befasst. Einige Ergebnisse sind bereits zugänglich (unter https://videoactivism.net/de/), weitere werden im Januar 2019 publiziert (Infos hier).
In vertiefenden Forschungen wollen sie sich nun den spezifischen Strategien widmen, die große NGOs, kleinere Kunstkollektive oder aber temporäre Aktivisten-Netzwerke verfolgen, um mehr Aufmerksamkeit zu generieren. In den Blick genommen werden sollen sowohl längerfristige Ansätze als auch spontane Taktiken, z.B. die Erfindung neuer Videoformen, die Verwendung neuer Technologien und die Bildung neuer „Produktionsallianzen“. Der Fokus liegt auf Kampagnen- und Mobilisierungsvideos, die unabhängig von staatlichen, militärischen und wirtschaftlichen Auftraggebern produziert und verbreitet werden und auf größtmöglichen Impact bei einem Massenpublikum zielen. Ziel ist es, das Bewusstsein für diese aktuellen Entwicklungen zu schärfen und zu einer gesteigerten Medienkompetenz beizutragen.
Die VolkswagenStiftung unterstützt das Forschungsprojekt mit dem Titel „Aufmerksamkeitsstrategien des Videoaktivismus im Social Web“ im Rahmen ihrer Förderinitiative „Originalitätsverdacht? Neue Optionen für die Geistes- und Kulturwissenschaften.“